Ergebnisse der IGLU Studie 2011
Die hier gewählte Form ist die unkommentierte Auswahl an Zitaten aus der Studie. Die Zitate sollen und können das Lesen der Studie nicht ersetzen. Alle Zitate wurden mit Blick auf eine gewisse Relevanz für die Umsetzung in der Sek.1 ausgewählt.
Beginn der Zitatsequenzen:
„IGLU ist eine internationalvergleichende Schulleistungsstudie, die seit 2001 alle fünf Jahre durchgeführt wird. Im Zentrum von IGLU 2011 steht der internationale Vergleich der Leseleistungen von Schülerinnen und Schülern am Ende der vierten Jahrgangsstufe. Mit der Erhebung im Jahr 2011 hat sich Deutschland bereits das dritte Mal an IGLU beteiligt. Insofern bildet ein Schwerpunkt des hier vorgelegten Berichts die Beschreibung von Veränderungen der Leistungsstände über den Zeitraum von zehn Jahren.“
„Die Leseintentionen werden differenziert in das Lesen von literarischen Texten und von informierenden (bzw. Sach-)Texten. Entsprechend werden für den Lesetest diese beiden Textsorten eingesetzt. Um das Leseverständnis zu erfassen, werden vier Verstehensprozesse unterschieden:
(1) explizit angegebene Informationen lokalisieren,
(2) einfache Schluss-folgerungen ziehen,
(3) komplexe Schlussfolgerungen ziehen, interpretieren und kombinieren sowie
(4) Inhalt und Sprachgebrauch prüfen und bewerten.
Die Verstehensprozesse werden zu den textimmanenten und den wissensbasierten Verstehensleistungen zusammengefasst.“
Lesekompetenzen im internationalen Vergleich
„Die Viertklässlerinnen und Viertklässler in Deutschland erreichen mit einem Mittelwert im Leseverständnis von 541 Punkten ein Kompetenzniveau, das sich im internationalen Vergleich im oberen Drittel der Rangreihe befindet. Der Mittelwert liegt signifikant über dem Mittelwert für die Vergleichsgruppe EU (VGEU: 534 Punkte) und auch signifikant über dem internationalen Mittelwert (512 Punkte). Deutschland erreicht damit ein Leistungsniveau, das vergleichbar ist mit dem Durchschnittswert der Vergleichsgruppe OECD (VGOECD: 538 Punkte). Das Leistungsniveau entspricht dem mehrerer europäischer Staaten, allerdings erreicht Deutschland nicht die Gruppe der Staaten an der Spitze der Leistungsskala, die deutlich höhere mittlere Leistungen erzielen.
Auf den unteren Kompetenzstufen zeigt sich für Deutschland Folgendes: 15.4 Prozent der Kinder erreichen nicht die Kompetenzstufe III, das heißt, sie verfügen nicht über ausreichende Lesekompetenzen. Für diese Gruppe ist zu erwarten, dass sie in der Sekundarstufe I mit erheblichen Schwierigkeiten beim Lernen in allen Fächern konfrontiert sein werden, wenn es nicht gelingt, sie dort maßgeblich zu fördern. Der Anteil von Schülerinnen und Schülern in Deutschland, die nicht die Kompetenzstufe III erreichen, ist mit dem in vielen anderen europäischen Staaten vergleichbar. Einen günstigen Wert von weniger als 10 Prozent erzielen innerhalb der Vergleichsgruppe EU nur Finnland (7.9 %) und die Niederlande (9.9 %).“
„Die differenzierte Erfassung der Lesekompetenzen in IGLU verweist jedoch auch auf Schwachstellen:
•Der Anteil der Kinder auf der höchsten Kompetenzstufe ist sicherlich noch steigerungsfähig.
•Der Anteil der Schülerinnen und Schüler, die vermutlich in der Sekundarstufe I noch basalen Leseunterricht benötigen (unter Kompetenzstufe III), ist als zu hoch einzuschätzen. Eine entsprechende Förderung setzt allerdings voraus, dass diese im Curriculum der weiterführenden Schulen verankert ist und in der Aus- und Fortbildung der Lehrkräfte der Sekundarstufe I einen festen Platz einnimmt. Hierauf wurde bereits in IGLU 2001 hingewiesen.
•Es gibt den über die Zeit stabilen Befund, dass Schülerinnen und Schüler beim Lesen von Sachtexten schlechter abschneiden als beim Lesen literarischer Texte.“
„Wie schon in IGLU 2001 und 2006 zeigt sich auch in der vorliegenden Studie ein relativ geringer Zusammenhang zwischen den Ergebnissen der Kompetenztests und den Schulnoten.“
„Der hohe Anteil an Analphabeten sowie Kindern und Jugendlichen mit schwachen Leseleistungen in Europa hat die EU-Kommission bewogen, eine High Level Group of Experts on Literacy zu berufen, die einen Bericht mit Maß-nahmen zur Verbesserung dieser Situation vorgelegt hat (EU High Level Group of Experts on Literacy, 2012). Die vorgeschlagenen Lösungen dieses Gremiums beziehen sich auf ein Bündel gesamtgesellschaftlicher Maßnahmen.“
„Gezielte Unterstützung für Schülerinnen und Schüler auf den unteren Kompetenzstufen. Der Anteil von 15.4 Prozent der Kinder in Deutschland, die als sehr schwache Leserinnen und Leser einzustufen sind, verweist auf einen dringenden Bedarf an Förderung von basalen Lesekompetenzen.“
Praxistipp: “ ( Leseflüssigkeit lässt sich besonders gut kooperativ fördern (National Reading Panel, 2000). So können beispielsweise Lese-Tandems gebildet werden: Jeweils ein leseschwaches und ein lesestarkes Kind lesen gemeinsam halblaut so lange einen Text oder Abschnitt, bis ihn das leseschwache Kind allein fehlerfrei und hinreichend schnell lesen kann. So konnten Rosebrock, Rieckmann, Nix & Gold (2010) zeigen, dass leseschwache Hauptschülerinnen und -schüler in sechsten Klassen von der Arbeit in solchen Tandems profitierten. )“
„Voraussetzung für eine zielgerichtete Förderung ist allerdings, dass Lehrkräfte alle Kinder mit Leseproblemen überhaupt erkennen. Vertiefende Analysen im Rahmen von IGLU 2006 (Valtin, Hornberg, Buddeberg, Kowoll & Potthoff, 2010) haben gezeigt, dass den Lehrkräften die Diagnose von lese-schwachen Schülerinnen und Schülern in vielen Fällen nicht sicher gelingt, mit der Folge, dass nur ein Drittel der sehr leseschwachen Kinder laut Aussagen der Lehrkräfte eine besondere Förderung im Lesen erhielt.“
„Reformierung der Lehrerbildung und des Leseunterrichts in der Sekundarstufe I
In der Sekundarstufe I braucht eine Reihe von Schülerinnen und Schülern weiterhin gezielte Unterstützung zur Verbesserung ihrer Leseleistungen. Dies gilt im Besonderen für jene, deren Kompetenzen maximal der Kompetenzstufe III entsprechen. Diesen Schülerinnen und Schülern gelingt es zwar, explizit angegebene Einzelinformationen zu identifizieren und benachbarte oder auch über den Text verstreute Informationen miteinander zu verknüpfen, jedoch fehlen ihnen wichtige Fähigkeiten, die den Kompetenzstufen IV und V entsprechen: für die Herstellung von Kohärenz auf der Ebene des Textes relevante Aspekte erfassen und komplexe Schlüsse ziehen (IV) sowie auf Textpassagen beziehungsweise den Text als ganzen bezogene Aussagen selbstständig interpretierend und kombinierend begründen (V). Erst diese Kompetenzen ermöglichen den Schülerinnen und Schülern eine sichere und selbstständige Erarbeitung neuer Lerngegenstände in allen Fächern. Als Konsequenz für die Sekundarstufe I, und zwar sowohl für die Curriculum-Entwicklung als auch für die Lehreraus- und -fortbildung, wird zukünftig darüber nachzudenken sein, dass eine konsequente Leseförderung als durchgängiges Prinzip in allen Fächern und Schulstufen umgesetzt wird.“
„Kapitel VIII Der Übergang von der Primar- in die Sekundarstufe
Einleitung
Der Übergang von der Grundschule auf eine Schulform der Sekundarstufe I hat für den zukünftigen Bildungserfolg von Schülerinnen und Schülern eine zentrale Bedeutung (Bellenberg & Klemm, 2000). Diese frühe Entscheidung für einen bestimmten Bildungsweg wird von vielen Expertinnen und Experten kritisiert, da eine verlässliche Vorhersage der zukünftigen Leistungsentwicklung von Zehnjährigen problematisch ist und zudem bekanntermaßen sowohl die Empfehlungen der Grundschulen als auch die Entscheidungen der Eltern hoch mit Hintergrundmerkmalen der Familien (sozialer Status, Migrationsgeschichte) korrelieren (vgl. im Überblick Maaz & Nagy, 2009).“
Hinweis auf weitere Studien:
„Zum Thema ‚Grundschulübergang‘ hat es in den vergangenen zehn Jahren zahlreiche Studien gegeben. Nicht zuletzt sind in diesem Zusammenhang die repräsentativen Grundschulstudien IGLU und Trends in International Mathematics and Science Study (TIMSS) zu nennen. In den beiden bisherigen IGLUZyklen wurde dieses Thema – auch unter Berücksichtigung von Länderunterschieden – ausführlich und unter verschiedenen Aspekten behandelt (Arnold, Bos, Richert & Stubbe, 2007, 2010; Bos et al., 2004; Milek, Lüdtke, Trautwein, Maaz & Stubbe, 2009; Milek, Stubbe, Trautwein, Lüdtke & Maaz, 2010; Stubbe & Bos, 2008). Ergänzend zu TIMSS 2007 wurde vom Max-Planck-Institut für Bil-dungs forschung die Längsschnittstudie Der Übergang von der Grundschule in die weiterführende Schule – Leistungsgerechtigkeit und regionale, soziale und ethnisch-kulturelle Disparitäten (ÜBERGANG) durchgeführt, die sehr detaillierte Analysen zum Grundschulübergang ermöglicht (Maaz, Baumert, Gresch & McElvany, 2010).Auch zahlreiche regionale Studien haben sich in jüngerer Zeit mit dem Übergang in die Sekundarstufe (und auch mit anderen Übergängen im Bildungs verlauf) beschäftigt. Aktuell sei an dieser Stelle nur auf die Arbeiten der Forschergruppe BiKS (Bildungsprozesse, Kompetenzentwicklung und Selektions-entscheidungen im Vor- und Grundschulalter) in Bayern und Hessen hingewiesen (Kleine, Paulus & Blossfeld, 2009).Im Rahmen der Berichtslegung zu IGLU 2006 (Arnold et al., 2007, 2010) wurde nicht von ‚Übergangsempfehlungen (von Lehrkräften)‘ und ‚Übergangsentscheidungen (von Eltern)‘ gesprochen, sondern einheitlich der unverbindlichere Begriff ‚Schullaufbahnpräferenzen‘ (von Lehrkräften bzw. von Eltern) gewählt, insbesondere, um den unterschiedlichen Regelungen in den einzelnen Ländern Rechnung zu tragen.“
Sehr lesenswert, Kapitel zu Leistungsprofilen:
„Obwohl der in diesem Kapitel gewählte methodische Ansatz, Typen von Schülerinnen und Schülern mit unterschiedlichen Leistungsprofilen zu bestimmen und näher zu untersuchen, deutlich differenziertere Erkenntnisse hervorbringt als auf Mittelwerte bezogene Analysen, ist die Vorgehensweise jedoch in deutschen Studien zu Schulleistungsvergleichen bisher nicht realisiert worden.“
Alle Zitate aus:
https://www.waxmann.com/?eID=texte&pdf=2828Volltext.pdf&typ=zusatztext